Büro als Abbild unserer Gesellschaft

Im letzten Blog haben wir einen kleinen Blick auf die Ursprünge des Büros geworfen. Vom antiken Rom zur mittelalterlichen ‚Burra‘ sind wir am frühneuzeitlichen Kaufmannsschreibtisch stehengeblieben. Lange Zeit blieben Arbeitsort und das zu Hause ein und derselbe Platz.

Die Verwaltungsarbeit nimmt im Zuge der Industrialisierung zu

Im 19. Jahrhundert etablierte sich die preußische Amtsstube. Denn neben der Industrialisierung und Massenfabrikation stieg auch der Bedarf an Verwaltungsarbeit. Vor allem der preußische Verwaltungsapparat stieg zum Vorbild für andere Staaten aber auch für Großunternehmen auf. Wegweisend für die bürokratischen Arbeit war das Militär. Der Arbeitsalltag war durch korrektes, diszipliniertes und zweckmäßiges Arbeiten geprägt. Schreibtische und Stühle waren nur für höherrangige Arbeitende vorbehalten. Die ‚gemeinen‘ Angestellten arbeiteten an Stehpulten. Eine straffe Organisation und Struktur prägten den Arbeitsalltag. Unterlagen wurden alphabetisch sortiert und eingeordnet. Es gab bereits Karteikarten und Briefordner. Durch die Einführung von Gaslicht wurden die Arbeitszeiten verlängert. Eine Spezialisierung der unterschiedlichen Vorgänge (Rechnen, Schreiben, Kassieren, Ablegen,…) führte zur Aufteilung der Arbeitsvorgänge in unterschiedliche Räume. Erst um die Jahrhundertwende hielt das Telefon und somit eine ganze neue Art der Kommunikationsform Einzug in die deutschen Büros.

Die Revolution der Schreibmaschine im American Office um 1900

1874 kam die erste serienmäßig hergestellte Schreibmaschine auf den amerikanischen Markt (die ersten Käufer waren vor allem Stenographen, Telegrafisten oder Schriftsteller wie Mark Twain). Ab 1880 wurde sie auch im Büro eingesetzt und unterstützte dadurch das Wachstum der kapitalistisch geprägten Unternehmen. Damit einher ging die Hierarchisierung der Funktionen und die verstärkte Unterteilung in Sachgebiete. Häufig verrichteten die Mitarbeitenden jedoch Teilarbeiten, die von den Managern koordiniert und kontrolliert wurden. Die Sinn- und Zweckhaftigkeit der Arbeit blieb also im Dunkeln für einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung.

Die Schreibmaschine bringt auch die Frauen und einen neuen Stil ins Büro. Bild aus der Dauerausstellung zur Kulturgeschichte des Büros im Heinz Nixdorf Museum

Schnelligkeit und Fehlerfreiheit als Qualifikation

Die Schreibmaschine ermöglichte eine neue Form der Geschwindigkeit. Zudem konnten mit ihr auch im gleichen Arbeitsgang Durchschläge für die Ablage erstellt werden. Das Beherrschen der Schreibmaschine wurde zur neuen Qualifikation, was durch Wettbewerbe in Schnelligkeit und Fehlerfreiheit gefördert wurde. Allerdings war dieser Beruf auf die rein ausführende Tätigkeit reduziert und es gab kaum Möglichkeiten zum Aufstieg. Letztlich befanden sie sich am unteren Ende der Hierarchie. Eine weitere Veränderung war die Feminisierung des Office bei Routinetätigkeiten. Immer mehr Frauen eroberten die kaufmännischen Berufe.

Der Schreibsaal der 1920 Jahre: Büroarbeit wird ‚weiblich‘

Zwischen 1907 und 1925 verfünffachte sich der Anteil der Frauen unter den Angestellten: Die Einteilung in Abteilungen erweiterte sich immer mehr, denn der allgemeine Verwaltungsaufwand steigt. Frauen aus der Mittelschicht, aber auch vermehrt aus Arbeiterfamilien gelang der Statusaufstieg in den angesehen ‚Angestelltenstatus‘. Allerdings trog der Schein: Es war kein Weg in die Unabhängigkeit, da das Gehalt nicht für einen eigenen Hausstand reichen konnte. Die Arbeit im Schreibsaal war außerdem erschöpfend: es beeinträchtigte die Gesundheit enorm. Nervosität, Schwindel, Erschöpfung, Sehnenscheidenentzündungen und Schwerhörigkeit gehörten durch die enorme Lautstärke und den einseitigen Kraftakt beim Tippen zum Alltag. Die Arbeit sollte nur ein Durchgangsstadium sein: bis zum passenden Ehemann. Eine seltene Aufstiegschance war der Wechsel ins Chefsekretariat oder in die Vorzimmer der Abteilungsleiter. Film, Literatur und Werbung griffen diese ’neue Rolle‘ der Frau verstärkt auf.

1940er Jahren: Das Büro dient zur Verwaltung des Vernichtungskriegs

Die Schicksale der Soldaten wurden akribisch verwaltet – die militärische Verwaltung regelte jeden einzelnen Schritt genau: auch das Anlegen von Gräbern. An der Heimatfront veränderte sich der Arbeitsalltag auch zunehmend. Verlängerung der Arbeitszeiten, kaum oder nur schlechtes Büromaterial, Verdunklungen und Bombenalarme gehörten dazu. ‚Neue Produkte‘ waren Rettungskisten für den Abtransport der Schreibmaschine in den Luftschutzraum oder Karbidlampen für die Notbeleuchtung.

1950er Jahre: Modernisierung durch Büromaschinen

Moderne Büromaschinen (Buchungsmaschinen, Diktiergeräte,…) und Massenartikeln (Hefter, Locher, Anspitzer,…) verdrängten die Kultur und Ausstattung der Vorkriegszeit. Der Einsatz von Maschinen veränderte die Arbeitsweise enorm: Die Optimierung der Arbeitsabläufe und der effektive und effiziente Einsatz der ‚Bürokraft‘ stand im Zuge der Rationalisierung an oberster Stelle. Arbeitsschritte wurden weiter zergliedert – ähnlich wie in der Produktion die Fließbandarbeit. Dabei verrichteten vor allem Frauen die eintönige Arbeiten, während die leitenden Funktionen den Männern zufielen. Dem gegenüber standen die Kleinbetriebe und das Handwerk, in denen häufig noch die Ehefrauen der Geschäftsinhabenden die Buchhaltung handschriftlich erledigten.

Fazit: Das Büro als Ort der Kontrolle von oben

Das Büro hatte sich zu einem Arbeitsplatz der Rationalität entwickelt. Die Zergliederung in kleinteilige Aufgaben, die hierarchisch von oben kontrolliert und gemanagt werden musste, war weit weg vom heutigen ‚Purpose‘. Die ‚Sache‘ stand im Vordergrund, der Mensch als Maschine musste sie voranbringen. Doch in den nächsten Jahrzehnten spielte die Raumumgebung eine größere Rolle und auch der Gestaltung des Büros wurde sich mehr und mehr zugewandt. Im nächsten Blog werfen wir einen Blick auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Doch wie sehen eigentlich die ersten Formen von ‚Büroarbeit‘ aus? Woher stammt der Name ‚Büro‘? Wieso ist eine Rückbesinnung zu den Ursprüngen eigentlich so wichtig. Mehr dazu erfahren Sie im ersten Teil unserer Geschichtsreihe.

Im Büro gehören Menschen in den Mittelpunkt. Sie sind aktive Schaffensräume, in denen Kultur entsteht. Wie das gelingt, erfahren Sie bei uns. 



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